Wie das beim Bau einer Forensik gelingt
Die Planung eines psychiartrischen Krankenhauses und vor allem einer forensischen Klinik erfordert eine hohe Expertise und Erfahrung im Umgang mit den Sicherheitsanforderungen und technischen Möglichkeiten zur normgerechten sowie adäquaten Umsetzung. Gleichzeitig gilt es für die zuständigen Planer und Architekten ein Gebäudekonzept zu entwickeln, dass einem provozierenden „Gefängnischarakter“ bewusst entgegenwirkt und eine grundsätzlich ansprechende und damit gesundheitsfördernde Atmosphäre widerspiegelt. Marco Zepper, Dipl.-Ing. Architekt BDA und Partner beim Generalplaner RDS Partner, ist Experte auf diesem Gebiet und erklärt im Interview wie dieser Spagat gelingt.
Frage: Was ist bei der Planung einer forensischen Klinik der größte Unterschied im Vergleich zu „normalen“ Bauprojekten der öffentlichen Hand, wie zum Beispiel Behörden, Ämtern oder anderen Verwaltungsgebäuden?
Marco Zepper: In forensischen Einrichtungen sind die Sicherheitsanforderungen deutlich komplexer als in vergleichbaren Gebäuden mit verschiedenen Nutzergruppen. Sie müssen ein Gesamtsicherheitskonzept entwickeln, dass zum einen jederzeit die gesicherte Unterbringung der Patienten gewährleistet. Zum anderen müssen aber auch die Voraussetzungen geschaffen werden, dass in einem Notfall die sichere Rettung der Betroffenen in einen wiederum gesicherten Bereich außerhalb der Gefahrenzone gelingt. Diese umsichtige Planung ist sehr zeitaufwändig und erfordert auch eine intensive Zusammenarbeit mit Klinikbetreibern, Sicherheits- und Technikverantwortlichen sowie Pflegedienstleitern im Vorfeld. Abgesehen davon erheben wir als Architekten den Anspruch, dass sich die Sicherheitssysteme unauffällig und unaufgeregt in das Gesamtgebäudekonzept integrieren lassen, um den Patienten möglichst wenig Triggerpunkte zu bieten.
Frage: Gibt es unterschiedliche Anforderungen an die Sicherheitstechnik, oder könnte auch eine einheitliche Sicherheitslösung für alle Räumlichkeiten verwendet werden?
Marco Zepper: Im Grunde benötigt jeder Bereich im Gebäude ein eigenes Sicherheitskonzept, das sich dem benötigten Sicherheitsniveau anpasst. Eingangszonen mit oder ohne Schleusenfunktion, Patienten- und Sprechzimmer oder auch Kriseninterventionsräume erfordern unterschiedliche sicherheitstechnische Ausstattung. Eine einheitliche Sicherheitslösung für alle Szenarien funktioniert da nicht. Zusätzlich müssen auch je nach Bundesland verschiedene Bauanforderungen und Normen berücksichtigt werden. Trotzdem kann man sagen, dass die Vorgehensweise bei der Planung immer dem gleichen Prinzip folgt: Wir schauen uns genauestens jeden einzelnen Laufweg vom Haupteingang über die Pforte und weiter in das Innere des Gebäudes an und wie die sicherheitsrelevanten Zutritte und Berechtigungen auf jedem dieser Wege am besten umgesetzt und kontrolliert werden können.
Frage: Welche Bedeutung haben die Türen einer forensischen Klinik in diesem Kontext? Wie gewährleistet man das sichere Öffnen und Schließen?
Marco Zepper: Türsysteme in jedem Gebäude sind zentrale Ein- und Austrittspunkte und spielen deshalb immer eine wichtige Rolle bei der Planung von Flucht- und Rettungswegen. Im besonderen Spannungsfeld des Brandschutz-, Sicherheits- und Evakuierungskonzepts in einer forensischen Einrichtung zeigt die Erfahrung, dass es von Vorteil ist, das Brandschutzkonzept auf Basis der EltVTR Richtlinie und der Norm EN 13637 vor den beiden anderen Konzepten zu durchdenken. Oder anders ausgedrückt: Die Rettungs- und Fluchtwegsicherungstechnik ist führend und muss im Sicherheitskonzept der Klinik mitgedacht werden. Stellen Sie sich zum Beispiel vor, die allgemeine Zutrittskontrolle fällt wegen Stromausfalls aus. Dank der genannten Prämisse ist in einem solchen Fall trotzdem sichergestellt, dass etwa in Bereichen mit Schleusenfunktion die Rettungswegtechnik zuverlässig die Absicherung „übernimmt“. Ein wichtiger Teil der Planung ist dabei zu entscheiden, wie und in welcher Anzahl die entsprechenden Notaufkreise angelegt werden und ob die Türsysteme zentral oder dezentral angesteuert oder von Einsatzkräften im Gefahrenfall persönlich geöffnet werden sollen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass Türen in Kliniken der forensischen Psychiatrie besonders belastbar und robust sein müssen. Das schließt die Sicherheit vor Vandalismus, Manipulationsversuchen, aber auch die Fäkaliensicherheit bei der Auswahl geeigneter Türöffner und Schließtechnik mit ein. Wir arbeiten aus dem Grund sehr gern mit den Sicherheitstechnologien und -systemen wie ASSA ABLOY sie anbietet, beispielsweise den Steuerterminals, die manipulationssicher mit hochwertigen Edelstahlplatten verbaut werden. Oder den effeff Fluchttüröffnern 352M, die als Mehrfachverriegelung hohe Durchbruchsicherheit gewährleisten können und trotzdem dank Fluchtwegfunktion jederzeit eine sichere Rettung ermöglichen.
Frage: Gibt es typische Fehlerquellen bei der Bauplanung einer forensischen Klinik? Wie können diese möglichst ausgeschlossen werden?
Marco Zepper: Wie schon gesagt, sind die intensiven Gespräche mit allen Beteiligten aus meiner Sicht der beste Weg, um Risiken und Fehlerquellen von Anfang an zu minimieren. Wir setzen dabei auch auf die langjährige und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Sicherheitsexperten von Anbietern wie ASSA ABLOY. Von deren Know-how in forensischen Fragestellungen konnten wir bisher in jedem Projekt profitieren. Etwa, wenn es um die von Klinikbetreibern oft gestellte Frage geht, warum man auf eine zusätzliche Einbruchmeldeanlage nicht doch verzichten könne, wenn schon die eingeplanten Fluchttüranlagen elektronisch gesteuert werden. Die klare Antwort darauf: Um eine VdS-konforme Verriegelung der Türen sicherzustellen, reicht eine alleinige elektronische Fluchttüranlage nicht aus. Erst die Integration zusätzlicher Riegel- und Magnetkontakte in Verbindung mit einer Gefahrenmanagement- oder Gebäudeleittechnik-Anlage (GMA/GLT) ermöglicht eine durchgehende Sicherheitsüberwachung. Dadurch wird nicht nur Manipulation verhindert, sondern auch sichergestellt, dass Fluchtwege im Ernstfall zuverlässig funktionieren, ohne das Sicherheitsniveau zu gefährden.
Frage: Die Sicherheit beim Bau von Forensiken spielt eine sehr große Rolle. Können Sie trotzdem ästhetisch kreative Ideen umsetzen, oder sind Sie irgendwie eingeschränkt?
Marco Zepper: Gerade in dieser Spannung liegt für unser Spezialistenteam beim Generalplaner RDS Partner der besondere Reiz an diesen Bauprojekten. Natürlich müssen wir die Bauanforderungen und besonderen Sicherheitsansprüche zwingend berücksichtigen. Und ja, auch bestimmte Materialien spielen dabei eine Rolle. Dennoch betrachten wir das nicht als einschränkend. Sie können in diesem speziellen klinischen Umfeld auch mit allen Reglements hochsichere, freundliche und helle Räume schaffen, die trotzdem keine unmittelbare Drohkulisse aufbauen. Mal abgesehen von Maßregelvollzug und Hochsicherheitsverwahrung geht es am Ende in vielen Einrichtungen auch um Tagespatienten und Freigänger, die tagtäglich mit den Mitarbeitenden interagieren. Unser Ziel ist es immer, ein geeignetes Umfeld zu gestalten, das den bestmöglichen und stressminimierten Umgang und Zusammenarbeit miteinander ermöglicht.